Distressed M&A: Schnäppchen oder Stolperfalle?

Distressed M&A: Schnäppchen oder Stolperfalle?

Der Kauf eines notleidenden Unternehmens oder seiner Teile kann sich für Investoren lohnen, vor allem in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Denn im Zuge einer allgemeinen Krise geraten auch Unternehmen in Schieflage, die im Kern gesund sind. Diese können dann zu günstigeren Konditionen erworben und wieder auf die Beine gebracht werden. Auch aktuell scheint die Lage günstig für diese Strategie zu sein: Laut der Distressed M&A-Studie für 2022 von Deloitte rechnen 86 Prozent der befragten Experten mit einem Anstieg der Distressed-Fälle noch in diesem Jahr. 75 Prozent erwarten aufgrund der momentanen Unsicherheit und dem Hauptrisikofaktor „Inflation“ entsprechend auch eine Zunahme von Distressed-M&A-Transaktionen. Doch egal, wie aussichtsreich eine solche Akquisition erscheint – es sollte nie vorschnell agiert werden; Distressed M&A bergen immer auch erhöhte Anforderungen und so manche Stolperfalle.

Wenig Zeit und Informationen

Zu den größten Herausforderungen zählt eine unvollständige Datenlage: Unterlagen notleidender Zielobjekte sind oft ad hoc zusammengestellt und meist nicht vollständig – manchmal auch fehlerhaft oder widersprüchlich. Deshalb sollten die Zahlen und Belege immer mit geschultem Blick geprüft werden. Im Zweifel müssen in den Gesprächen mit der Verkäuferseite Informationen nachgefordert oder Missverständnisse geklärt werden.

Eine weitere Hürde bei Krisenkäufen ist der kurze Zeitraum: Bei einem regulären M&A bleiben oft mehrere Monate, um einen guten Verkaufsabschluss zu erreichen. Im Rahmen von Distressed-Transaktion muss der ganze Prozess nicht selten innerhalb von Wochen abgeschlossen sein. Schließlich kann sich die Situation des Zielunternehmens permanent ändern. Es reicht, wenn zentrale Kunden, Lieferanten oder essenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Unternehmen den Rücken kehren – schon kann der Deal an Attraktivität verlieren. Durch die knappe Zeit ergeben sich mitunter auch insolvenzrechtliche Schwierigkeiten: Werden im Rahmen eines Asset Deals zentrale Vermögensgegenstände eines Unternehmens erworben und geht dieses kurz darauf insolvent, kann der Insolvenzverwalter die gekauften Assets im Rahmen der Insolvenzanfechtung wieder zurückfordern. Der Zeitraum von drei Monaten vor einer Pleite ist hier besonders kritisch. Für Kaufinteressierte lohnt es sich meist mehr, die Firma direkt im Verfahren zu erwerben. Solch eine übertragende Sanierung bietet mehr Sicherheit, zudem kann beispielsweise von einem vereinfachten Kündigungsschutz profitiert werden. Hier sollte aber stets eine insolvenzrechtliche Beratung eingeholt werden.

Von Risikobewertung bis Finanzierung: Expertise unerlässlich

Der Zeitdruck und die Datenlage bei Distressed M&A erschweren eine gründliche Due-Diligence – die Prüfung von Chancen und Risiken des anvisierten Kaufs. Deshalb sollte diese nicht ohne Erfahrung und Expertise erfolgen: Das Unternehmen muss auch kurzfristig fundiert bewertet, die richtigen Fragen gestellt und mögliche Fallstricke aufgedeckt werden können.

Eine weitere Herausforderung ist die Kaufpreisverhandlung. Das ganze M&A-Vorhaben kann scheitern, wenn sich Verkäufer, Käufer und oder der Insolvenzverwalter nicht zügig auf einen Kaufpreis, die Art des Übergangs oder Aspekte wie Garantien einigen können. Hier hilft konsens- und zielorientiertes Verhandeln. Dieses sollte immer auf rationalen Argumenten sowie einer nüchternen Unternehmensbewertung basieren.

Auch die Kaufpreisfinanzierung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor bei Distressed M&A. Sie muss aufgrund des Anlasses nicht nur schnell bereitstehen, es ist auch eine gewisse Risikotoleranz des Kapitalgebers nötig. Entsprechend werden hier oft Lösungen für besondere Situationen sowie komplexe Finanzierungen aus mehreren Bausteinen genutzt.

Ob ein Distressed M&A zum Schnäppchen oder zur Stolperfalle wird, hängt häufig von einem stringenten Prozess mit erfahrenen Beteiligten ab. Fragen Sie uns gern dazu.

Simon Leopold

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Simon Leopold
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