Interview mit Ronny Baar
Seit geraumer Zeit rückt das Thema Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen immer mehr in den Fokus – es gewinnt somit auch für Firmen an Dringlichkeit: Laut des Climate Check 2021 Survey von Deloitte sind 82 Prozent der befragten Unternehmen weltweit besorgt wegen der Auswirkungen des Klimawandels; 27 Prozent leiden bereits jetzt unter operativen Einschränkungen aufgrund von Naturkatastrophen. Im Gespräch verrät Ronny Baar, Geschäftsführer von ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG, welchen Einfluss Nachhaltigkeit auch auf den Unternehmenswert hat.
Herr Baar, warum spielt Nachhaltigkeit für Unternehmen eine immer größere Rolle?
Ich denke, das liegt an mehreren Faktoren: Einerseits möchten immer mehr Menschen ihre eigene Lebensweise nachhaltig gestalten und übertragen diese Einstellung auf die Produkte, die sie kaufen, die Dienstleistungen, die sie in Anspruch nehmen, oder ihren Arbeitsplatz. Andererseits können durch Umweltkatastrophen wie etwa Hochwasser oder Waldbrände erhebliche wirtschaftliche Schäden für Unternehmen entstehen. Die Folgen sind mitunter verheerend: Zerstörte Infrastrukturen und Gebäude, Rohstoffverknappung oder Ernteausfälle können existenzbedrohend sein. Versicherungen gegen derartige Herausforderungen werden immer teurer und decken nicht mehr jeden Fall ab.
Welche Bedeutung kommt also der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Ermittlung des Unternehmenswertes zu?
Kurz und knapp: Ein nachhaltiges Geschäftsmodell steigert heute den Unternehmenswert. Ganz gleich, ob für Geldgeber, Kunden oder Kaufinteressierte, die Beachtung nachhaltiger Aspekte trägt maßgeblich zum guten Ruf eines Unternehmens bei. Außerdem zeigen erste Studien, dass entsprechende Programme tatsächlich dabei helfen, Unternehmensrisiken zu mindern und mehr Gewinn zu erzielen. Eine Win-win-Situation für Umwelt und Mensch also. Deshalb spielen auch Nachhaltigkeitsberichte und die Kommunikation erfolgter Maßnahmen eine immer größere Rolle. Transparenz wird in diesem Zusammenhang künftig sicher auch für Mittelständler ein entscheidender Faktor sein, um an Finanzierungen zu kommen. Damit betrifft das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr nur große Konzerne, sondern ist auch im KMU-Bereich angekommen.
Wofür steht die Abkürzung „ESG“ in diesem Zusammenhang?
„ESG“ bedeutet „Environment, Social, Governance“ und steht für die Einbindung von Umwelt- und Sozialaspekten sowie verantwortungsvoller Führung in das Geschäftskonzept. Themen wie Ressourcenknappheit, Klima und Artenvielfalt sind beispielsweise in die erste Kategorie einzuordnen. Im Sozialbereich sind Angelegenheiten bezüglich Arbeitssicherheit und -bedingungen anzusiedeln. Unter „verantwortungsvolle Führung“ fallen wiederum Aspekte des Risikomanagements oder der Aufsichtsstrukturen.
Gibt es konkrete Leitfäden, die KMU in Sachen Nachhaltigkeit nutzen können?
Eine Orientierung bietet zum Beispiel die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten, in der konkrete Ziele wie Klimaschutz, Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme oder Schutz und nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen festgelegt sind. Anhand eines Klassifizierungssystems für wirtschaftliche Aktivitäten kann das nachhaltige Handeln eines Unternehmens so in Bezug auf Umsatz, Ausgaben und Investitionen eingestuft werden. Ausschlaggebend ist dabei, ob durch das eigene Handeln eines der Ziele wesentlich gefördert und gleichzeitig kein anderes verletzt wird. Und: ob gewisse Standards, beispielsweise bezüglich der Menschenrechte, beachtet werden. So wird für alle Unternehmen eine transparente und vergleichbare Basis für eine Beurteilung geschaffen. In der Zukunft soll diese EU-Taxonomie auch zu einer Art Zertifizierung für EU Green Bonds werden, also gewissermaßen für grüne Unternehmensanleihen. Geld aus besagten Bonds darf dann nur für Aktivitäten eingesetzt werden, die auch taxonomiekonform sind. Im Hinblick auf Investorengelder wird die EU-Taxonomie daher künftig vermutlich größeren Einfluss haben. Insgesamt zeigt sich, dass ökologisch und sozial nachhaltiges Handeln zunehmend zu einem wichtigen Kriterium für den Wert eines Unternehmens wird.
Sie haben Fragen zum Unternehmenswert und dessen Ermittlung? Unser Experte hilft Ihnen gerne weiter!
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ABG Consulting-Partner GmbH & Co. KG
Ronny Baar
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