Trotz steigender Nachfrage nach Pflegeleistungen steht die Branche unter massivem Druck. Über 1.000 Pflegeanbieter mussten 2023 und 2024 Insolvenz anmelden, schließen oder ihr Angebot einschränken. Woher kommt der Widerspruch – und was können Betreiber tun, um eine Krise zu umgehen oder sie zu meistern?
Die Gesellschaft altert. Während die geburtenstarken Babyboomer nach und nach in Rente gehen, sind die nachfolgenden Generationen deutlich kleiner. Besonders sichtbar wird dieser demografische Wandel in der Pflege: Laut dem Pflegeheim Rating Report vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) könnte die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf rund 5,7 Millionen steigen – bis 2040 sogar auf 6,4 Millionen.
Das erscheint nur auf den ersten Blick als ein positives Signal für die Branche. Denn die wachsende Nachfrage stellt das System vor enorme Herausforderungen: 322.000 zusätzliche stationäre Pflegeplätze werden bis 2040 benötigt – das entspricht einem Investitionsbedarf von bis zu 125 Milliarden Euro. Gleichzeitig müssten rund 210.000 zusätzliche Pflegefachkräfte gewonnen werden. Ein Ziel, das unter den aktuellen Bedingungen kaum erreichbar scheint – allgemeiner Fachkräftemangel, steigende Sach- und Personalkosten sowie das geringe Ansehen vieler Pflegeberufe führen oft zu Engpässen.
Viele Einrichtungen in der Krise
Weniger Personal bedeutet überforderte Mitarbeiter. Gleichzeitig steigen die Kosten für Pflegeleistungen kontinuierlich an – eine Belastung, die viele Pflegebedürftige und Angehörige finanziell kaum noch stemmen können. Die Folge: teure, leere Betten. Angesichts hoher Personalkosten und sinkender Einnahmen überrascht es kaum, dass der Arbeitgeberverband Pflege allein für 2023 und 2024 über 1.000 Pflegeanbieter zählt, die Insolvenz anmelden oder schließen mussten oder anderweitig stark eingeschränkt wurden. Die Auswirkungen sind gravierend: Pflegeplatznot und kurzfristige Heimschließungen sowie Überstunden, kaum Pausen und hohe emotionale Belastung für die verbleibenden Pflegekräfte.
Das können Pflegeunternehmen tun
Die Unzufriedenheit mit der Situation wächst – ebenso wie die Erwartung an die Politik, strukturelle Reformen einzuleiten. Doch auch Betreiber selbst können und sollten je nach Lage Schritte zur Stabilisierung und Zukunftssicherung gehen.
Frühzeitig gegensteuern – auch ohne akute Unternehmenskrise
- Regelmäßiges Controlling durchführen – mit Blick etwa auf Belegung, Liquidität und Personalquote, um Risiken frühzeitig zu erkennen
- Auf Mitarbeiterbindung fokussieren – gute Führung, verlässliche Dienstpläne, Kompensationsmöglichkeiten für Mehrarbeit und echte Wertschätzung binden Beschäftigte
- Moderne Technologie einsetzen – u. a. um Zeit zu sparen und das Team zu entlasten, bspw. Software zur automatisierten Dienstplanerstellung und sprachgestützte Dokumentationssysteme
- Professionelle Unternehmenskommunikation etablieren – modernen Außenauftritt schaffen mit Einblicken in den Alltag der Einrichtung, mit Angeboten und Informationen für die Bewohner und Angehörigen (z. B. Social Media stringent nutzen) sowie interne Kommunikation pflegen. Außerdem zufriedene Bewohner und Mitarbeitende regelmäßig um Bewertungen auf den Kanälen bitten (z. B. Google, Kununu).
In der wirtschaftlichen Schieflage: Stabilisierung im Fokus
- Kostenstruktur und Angebot kritisch hinterfragen: Welche Leistungen sind tragfähig?
- Belegungsmanagement verbessern: Kooperationen mit Kliniken, Ärzten oder Sozialdiensten stärken die Auslastung.
- Zahlungsflüsse aktiv steuern: Pflegekassen und Sozialhilfeträger zahlen oft mit Verzögerung. Forderungsmanagement oder Factoring-Modelle können helfen.
- Regelmäßig in Nachverhandlungen mit den Kostenträgern gehen
Im Krisenfall: Professionell handeln
- Frühzeitig externe Unterstützung suchen, zum Beispiel Sanierungsberater
- Klar, ehrlich und zeitnah Mitarbeiter, Angehörige und Bewohner, Geschäftspartner und Kostenträger sowie die Öffentlichkeit informieren
- Verhandlungsdruck gegenüber Trägern erhöhen
- Nicht rentable Bereiche schließen oder ausgliedern
- Lösungen mit Investoren oder Partnerschaften prüfen
Sie haben Fragen zur Lage der Pflege oder benötigen Unterstützung in einem konkreten Krisen- oder Präventionsfall? Wenden Sie sich gern an unseren Experten Simon Leopold.