Wann muss ich Insolvenz anmelden?

Insolvenzgründe vorgestellt

Steigende Insolvenzzahlen verunsichern viele Unternehmer. Ist die eigene Firma womöglich die nächste? Doch wann ist ein Betrieb tatsächlich gesetzlich zur Anmeldung verpflichtet? Und wann ist es angeraten, vorsorglich Insolvenz anzumelden? In diesem Beitrag stellen wir die Insolvenzgründe vor.

1.626 – so lautete laut Insolvenztrend* des IWH die Zahl der Insolvenzen im April 2025. Das sind 67 Prozent mehr als im Durchschnitts-April der Jahre 2016 bis 2019. Ein neuer Rekordwert – noch mehr insolvente Unternehmen gab es zuletzt im Juli 2005.

Viele denken bei einer Insolvenz sofort an die sprichwörtlich „leeren Taschen“. Doch rechtlich betrachtet ist das Thema differenzierter. Laut Insolvenzordnung gibt es genau drei Gründe, dass eine Insolvenz im Rahmen einer dreiwöchigen Frist beantragt werden muss.

1. Zahlungsunfähigkeit: Wenn die Kasse leer ist

Der häufigste Insolvenzgrund: Die Firma kann mindestens 90 Prozent ihrer aktuell fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr rechtzeitig begleichen. Dabei ist keine kurzfristige Liquiditätslücke gemeint, die innerhalb von drei Wochen beseitigt werden kann, sondern eine strukturelle Zahlungsunfähigkeit – eine Besserung ist in absehbarer Zeit nicht gegeben. Ist das der Fall, besteht für Kapitalgesellschaften sowie Vereine und Genossenschaften Insolvenzantragspflicht. Personengesellschaften haben ein Antragsrecht.

2. Drohende Zahlungsunfähigkeit: Wenn die Unternehmenszukunft auf der Kippe steht

Hier geht es nicht um bereits aktuell fehlende Mittel, sondern um die Gefahr, dass in den kommenden Monaten irreversible Liquiditätsprobleme entstehen. Eine klassische Situation: Aufträge bleiben aus, laufende Kosten aber gleich – die Liquiditätsreserve schmilzt. Eine Antragspflicht besteht hier nicht, wohl aber ein Recht, aktiv zu werden. Das sollte genutzt werden, denn wer frühzeitig Insolvenz anmeldet, kann über gesetzliche Sanierungsinstrumente – etwa den Schutzschirm oder die Eigenverwaltung – einen Neuanfang meist effektiver gestalten und eine Insolvenz im Bestfall vermeiden oder zumindest die Zügel bei der Sanierung in der Hand behalten.

3. Überschuldung: Wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt

Bei Kapitalgesellschaften, aber auch bei Genossenschaften, Stiftungen und Vereinen ist auch eine Überschuldung ein Insolvenzgrund, der zur Antragstellung verpflichtet. Das bedeutet: Die bestehenden Verbindlichkeiten können durch das Unternehmensvermögen nicht mehr gedeckt werden – auch die Kapitaleinlagen der Eigenkapitalgeber sind bereits aufgebraucht.

Wichtig: Nicht die Überschuldung allein führt zur Antragspflicht. Um herauszufinden, ob Letztere vorliegt, wird eine Fortführungsprognose erstellt – also eine Berechnung, ob das Unternehmen am Markt bestehen kann und in den kommenden zwölf Monaten zahlungsfähig bleibt. Nur wenn die Prognose negativ ist und das Reinvermögen unter Null liegt, muss Insolvenz beantragt werden.

Die Ursachen liegen tiefer

Die gesetzlichen Gründe sind nur die Spitze des Eisberges, wenn es um die Insolvenz geht – die Ursachen für eine wirtschaftliche Schieflage reichen in der Regel tiefer; und lange zurück. Häufig sind beispielsweise:

  • Schwaches Geschäftsmodell
  • Unzureichendes Controlling
  • Fehlende, schwache oder verspätete Reaktion auf Umsatzrückgänge
  • Interne Konflikte
  • Abhängigkeit von wenigen Kunden

 

Deshalb gilt:

  • Liquidität beobachten und kontinuierlich Liquiditätspläne erstellen
  • Drohende finanzielle Engpässe frühzeitig erkennen
  • Geschäftsmodell, Abläufe, Kundenstruktur, Ziele regelmäßig auf den Prüfstand stellen
  • Bei Bedarf rechtzeitig Rat und Unterstützung suchen

 

Sie haben Fragen zu den Themen Liquidität und Sanierung oder benötigen Hilfe in einem konkreten Krisenfall? Wenden Sie sich gern an unseren Experten Simon Leopold. Bei insolvenzrechtlichen Fragen konsultieren Sie unbedingt Ihren Rechtsanwalt mit entsprechender Expertise.

*Quelle: https://www.iwh-halle.de/presse/pressemitteilungen/detail/iwh-insolvenztrend-hoechststand-bei-firmenpleiten-seit-20-jahren